Sahra Wagenknecht: “Würde mir wünschen, das unser Bundeskanzler öfter mit Putin reden würde”

Man richtet sich im Westen nach der Ukraine. Und der ukrainische Präsident Selenskyj hat sich seit Kriegsbeginn offen für Verhandlungen unter bestimmten Bedingungen gezeigt.
Ja, klar. Und seine Bedingung ist, dass die Krim befreit wird.
Die ukrainische Krim, die völkerrechtswidrig von Russland annektiert wurde.
Das stimmt. So wie viele andere Regionen in dieser Welt auch! Die Türkei besetzt völkerrechtswidrig Gebiete in Syrien und dem Nordirak, die USA besetzt bis heute die syrischen Ölfelder. Moralisch kann und muss man das alles scharf verurteilen. Der russische Krieg in der Ukraine ist ein Verbrechen. Aber wenn man will, dass das Sterben aufhört, braucht es Kompromissbereitschaft von beiden Seiten.
Also müsse man die Annexion der Krim eben aushalten, finden Sie?
Die Frage ist doch, welche Ziele realistisch sind. Russland ist eine Atommacht, das sollten wir nicht vergessen. Und wenn man darauf pocht, die Russen von der Krim zu vertreiben, dann wird dieser schreckliche Krieg ewig weitergehen. Die Russen haben seit Jahrzehnten ihre Schwarzmeerflotte auf der Krim, die werden sie nicht aufgeben. Will man für ein völlig unrealistisches Ziel noch Zehntausende, vielleicht Hunderttausende Menschenleben opfern?
Ist es nicht die Entscheidung der Ukrainer, ob sie überhaupt Land einfach so Russland überlassen wollen, wenn diese sie überfallen?
Es liegt schon auch an uns, bis zu welchem Punkt wir die ukrainische Führung unterstützen. Europa hat kein Interesse an einer weiteren Eskalation des Krieges, das sollten wir auch Selenskyj klarmachen. Es braucht Verhandlungen.
Auch dafür gibt es keine Indizien, dass Russland daran interessiert wäre.
Da gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Ex-General Harald Kujat sagt, dass die Russen nach seiner Einschätzung verhandlungsbereit sein könnten. Auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der ja offensichtlich gute Kontakte in den Kreml hat, kam zurück aus Moskau und sagte, Putin wolle verhandeln. Ich selbst spreche nicht mit Putin.
Sie glauben dann lieber Gerhard Schröder.
Ich wünsche mir, dass unser Bundeskanzler öfter mit Putin reden würde und dass er auslotet, was möglich ist. Wir müssen doch alles tun, um einen Waffenstillstand zu erreichen.
Reden wir noch zum Schluss über Ihre Partei. Die Linke ist zuletzt unter Druck geraten, unter anderem wegen Sexismus-Vorfällen und auch parteiinternen Machtkämpfen. Wie sollte man dem begegnen?
Eigentlich sollte eine soziale Oppositionspartei aktuell zweistellig sein. Millionen Menschen fühlen sich von der Ampel im Stich gelassen und verzweifeln an deren Politik. Aber eine Opposition, die Angst vor der eigenen Courage hat und sich nicht wirklich traut, die Sanktionen zu kritisieren und in Teilen sogar Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet, überzeugt viele Wähler nicht.
Zwischen Ihnen und der Linken-Spitze gibt es immer wieder erhebliche Spannungen. Werden Sie in der Partei bleiben?
Aktuell bin ich Mitglied der Linken. Wenn sich daran etwas ändert, werden Sie es rechtzeitig erfahren.
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